Enricos Reisenotizen
Wie Diogenes im Weinfass
Zugegeben: philosophiert haben wir nur über die verschiedenen Weinsorten und weniger über das Weltgeschehen, aber geschlafen haben wir wie die Götter in unserem „Fassl"
Eine Tour d'Amour für Zwei – ein Romantikwochenende am Weingut mit Dinner im Weinkeller und einer Übernachtung – versprach uns der Gutschein, den wir zu Weihnachten geschenkt bekamen. Und so einen Gutschein darf man keinesfalls verfallen lassen – und diese Woche war es soweit. Wir wählten zwar kein Wochenende (da war der Winzerhof Küssler bereits ausgebucht), sondern nahmen uns einfach einmal zwei Tage frei und ab ging es ins Weinviertel zum Winzerhof Küssler.
Der Winzerhof Küssler liegt mit seinem Weingut, Schlafgut, dem Top-Heurigen und dem 300 Jahre alten Weinkeller in Stillfried-Grub, in der Haspelgasse.
Ihr habt noch nie etwas von diesem Ort gehört? Ganz ehrlich – ich kannte ihn auch nicht.
Nahe ist die March, die auch Einfluss auf das Gedeihen und Werden des Weins in diesem Gebiet ist, nahe ist die Grenze zur Slowakei, nahe sind die Großstädte Wien und Bratislava – und auch der Ort hat einiges zu bieten.
Neben der alten Wehrkirche, die man besichtigen kann, gilt die Gegend hier seit 30.000 Jahren vor Christus besiedelt und als ältester Weinort Österreichs, schließlich hat man hier 3.000 Jahre alte Weinkerne aus der späten Bronzezeit gefunden…
Wir machten uns also gemütlich aus dem nahen Wien auf den Weg und checkten ein, wobei die erste Überraschung auf uns wartete: kein normales Zweibettzimmer wie erwartet, nein – weit gefehlt: Ein Weinfass wartete auf uns!
Dieses - allerdings aus Fichten- und nicht aus Eichenholz gezimmert (in Fichte schläft man besser!) war in unser Zimmer hineingepasst und das Bett in das Fass.
In einer Lade kann man sein Zeug unterbringen, es gibt sogar Wlan, das außerordentlich gut funktioniert (wenn man endlich das Passwort richtig eingibt), einen Fernseher (den man aber ohnehin nicht braucht), eine Duschnische, WC und auch noch ein Tischchen mit zwei Sessel im Zimmer und davor auf der Sonnenterrasse auf der man dem automatischen Mäher bei seiner Arbeit zusehen kann.
Wir machen uns auf zu einem Spaziergang an der March – gleich beim nahen Bahnhof kann man die Gleise überqueren und ist in wenigen Schritten an der March und im Naturschutzgebiet.
Ich habe schon lange nicht mehr so viele Schmetterlinge gesehen, die Blumen wiegen sich im Wind, außerdem sehen wir noch einen ziemlich „betäubt" wirkenden Hirschkäfer, aber auch eine farbenprächtige Raupe.
Und auf unserem Spaziergang kommen wir bei einer Fischerhütte nach der anderen vorbei. Nicht unerwähnt sollte auch der Gelsenschwarm bleiben, den ich zwar um einige Exemplare verkleinert habe, aber ich bin sicher, es sind auch noch für euch genügend übrig geblieben.
Um 18:00 Uhr ging es los: Beim Rundgang durch das Weingut erhielten wir spannende Einblicke in das Winzerleben und dann ging es hinunter in den 300 Jahre alten Weinkeller, in dem man – so erzählten Gäste dem Hausherrn – sogar noch die Aura des Großvaters spüren kann.
12°C hat es hier im weiträumigen Keller, in dem die Weinverkostungen, aber auch so manche Veranstaltung abgehalten werden. Nehmt euch also auf jeden Fall eine Weste oder einen Pullover mit, so ihr dem Keller einen Besuch abstatten wollt.
Dann startet die Verkostung mit einem meiner Lieblingsweine - so auch hier: dem Gemischten Satz.
Eigentlich ist es eine Wiener Spezialität, „erfunden" zur Zeit der Reblausplage, die schon beim Anbau der Reben das Fingerspitzengefühl des Winzers braucht. Immerhin werden dabei auf einem Weingarten unterschiedliche Rebsorten gepflanzt, gemeinsam geerntet und gemeinsam gepresst und gemeinsam vergoren. Auch bei diesem Winzer einer meiner Lieblinge – leicht und doch süffig …
Weiter ging es mit einer Sorte, die für das Weinviertel und dem Weingut Küssler typisch ist: dem Welschriesling. Beide Welschrieslinge, die Küssler im Moment im Angebot hat, sind sogar mit Goldmedaillien ausgezeichnet.
Auch der Grüne Veltliner ist hier zu Hause: trocken, würzig, pfeffrig, wie ein Veltliner sein soll und daher auch mit DAC ausgestattet.
Es folgt der Gelbe Muskateller, der mein Herz und meinen Gaumen ebenfalls sehr erfreut. Ich beginne bereits im Kopf zu überschlagen, welche Weine ich mir vielleicht doch gleich mitnehmen sollte…
Und schon ergibt sich mit dem nächsten Glas die Qual der Wahl: der Chardonnay schmeckt mir fast noch besser als der Gelbe Muskateller und dann sind ja auch noch die Rotweine noch gar nicht in der Verkostung.
Zum Abschluss unserer Kellerverkostung kommt noch ein Rosé St. Laurent ins Glas. Obwohl auch dieser durchaus mundet, bedaure ich ein wenig, dass es den St. Laurent nicht als Rotwein ausgebaut gibt. Aber leider sind die Mengen dazu zu gering.
Danach sind wir alle (außer uns sind noch ein deutsches und ein österreichisches Ehepaar mit dabei) schon sehr gut gelaunt, aber doch auch ein wenig unterkühlt und wir freuen uns, zur Rotweinverkostung ins Warme aufzubrechen. Für den Roten wäre es hier unten definitiv zu kalt.
Die Sortenvielfalt ist hier nicht so groß: wir verkosten einen Blauburger, der mir ein bisschen zu herb ist, danach einen „normalen" Zweigelt und dann meinen Höhepunkt des Tages „Das Beste vom Zweigelt": ein Zweigelt, der leicht in Barrique ausgebaut wurde.
Nicht holzig schmeckend, aber gerade so viel um dem Zweigelt – der für mich eher eine ziemlich neutrale Sorte ohne große Charakteristik ist – eben einen eigenen Charakter zu verleihen. Einfach toll. Mein Wein des Tages!
Dann geht es wieder zurück in unser Weinfass und dort ist bereits unser Abendessen wunderschön aufgedeckt.
Mit einem Glas Küssante (Sekt aus der St. Laurent Traube – sehr süffig) machen wir uns über die Heurigen-Feinschmeckerplatte her. Ich kann nur berichten: ein Traum: herrlicher Liptauer, Schinken, Schweinsbraten, Käse, Presswurst, Speck – man muss einfach alles verkosten und dazu kommt nach dem Glaserl Sekt auch noch einmal mein Lieblingszweigelt ins Glas.
Dazu Kerzenlicht und als Nachspeise auch noch hausgemachte Mehlspeisen – ebenfalls ein Träumchen: Schokokuchen und eine Punschpraline. Herz was willst du mehr. Wir schlemmen um die Wette und schaffen es fast, die komplette Platte zu verdrücken.
Schließlich treffen wir uns noch mit den anderen Ehepaaren im Frühstücksraum, der den Gästen aber immer zur Verfügung steht auf ein Abschiedsachterl (ehrlicher Weise muss ich zugeben, es sind mehrere geworden). Dann geht's ab ins Weinfassbett, in dem man hervorragend schlafen kann, was wir auch lange und ausgiebig machen…
Hervorragende Weine, hervorragendes Essen, ganz liebe Winzersleut, ein toller Weinkeller und eine witzige Idee – das ist der Winzerhof Küssler.
Und wenn man auch die Weine übers Internet bestellen kann, es ist sicher netter, vorbei zu kommen, zu kosten und dann eben gleich sein Weinfass (oder ein normales Zimmer) zu buchen. Auch wenn es nur ein paar Kilometer wieder nach Wien zurück sind – es lohnt sich, zumindest eine Nacht zu bleiben.
Bringt aber einen großen Hunger und eine gewisse Standfestigkeit beim Weinkonsum mit – ihr werdet sie brauchen….
Weingut und Top-Heuriger
2262 Stillfried-Grub, Ebenthalerstraße 45
Tel: +43 699 1101 56 32
Schlafgut (Zimmervermietung)
2262 Stillfried-Grub, Haspelgasse 98
Tel: +43 664 858 55 98
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www.kuessler.at
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